Radio W1
Radio W1

Radio W1

Wie der Name meiner Webseite verrät, geht es hier eigentlich hauptsächlich um Fotos aus Würzburg. Für diesen Artikel möchte ich aber eine große Ausnahme machen und stattdessen meine Erinnerungen an den ehemaligen Kult-Sender „Radio W1“ aufleben lassen.

Ursprünglich sollte dieser Artikel eigentlich einer werden, der das Thema „Medien in Würzburg“ im Allgemeinen behandelt. Im Laufe der Recherche und Schreiberei habe ich aber für mich festgestellt, dass das meiste, was ich schrieb, von Radio W1 handelte. So ist dieser Artikel also überwiegend von einer gewissen „Sentimentalität“ und den Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit (die Jugend) geprägt.

Für den Artikel habe ich sehr viele alte Kassetten und Tonbänder abgehört, die ich damals mitgeschnitten hatte (warum auch immer ich das tat – heute freue mich über diese Aufnahmen).

Blick auf den Arbeitsplatz der W1-Moderatoren. Links und rechts sieht man die beiden Plattenspieler, oben mittig ein CD-Player und darunter die drei Sonifex-Cartmaschinen von denen Jingles, Werbespots und andere Elemente abgespielt wurden. Und nicht zu vergessen ist natürlich Moderatorin Uschi Lamertz die hier zu sehen ist.
Blick auf den Arbeitsplatz der W1-Moderatoren.

Als ich W1 damals entdeckte“ und zu meinem Tagesbegleiter machte, war ich gerade 14 Jahre alt. W1 hat mich seiner Zeit musikalisch nachhaltig geprägt und meinen Berufswunsch („etwas mit Radio machen“) deutlich geformt.

Deswegen möchte ich mich auf dieser Seite also weniger den Programmen von Radio Gong oder Charivari widmen, sondern viel mehr dem „Kult“ aus vergangenen Tagen. Denn Radio W1 war eindeutig das, was man heute landläufig als „kultig“ bezeichnen würde – und so haben es die, die es miterlebt haben, auch immer noch in Erinnerung.

Warum es so war? Der ehemalige Chefredakteur und Moderator Kai Fraass drückte es einst ganz treffend so aus:

Wir haben anders Radio gemacht, im Vordergrund stand die alternative Musik. Und vor allem haben wir nie AC-Format gespielt, also diesen Mainstream des sogenannten „Adult Contemporary“, bei uns hatte jede Musik ihren Raum. 1) Gunther Schunk, Peter Nossol – „Was war los in Würzburg 1950 – 2000“ – Seite 109 ff.

Kai Fraass

Privatradio in Würzburg

W1 in der Münzstraße 3
W1 in der Münzstraße 3

Private Radioprogramme gibt es in Würzburg genau seit dem 8. Mai 1987. Damals starteten die drei Sender „Mainland-Radio“, „Main-Radio“ und „Radio Würzburg 1“ auf der gemeinsamen UKW-Frequenz 103 MHz als „Radio Frankenwarte“. Für gut ein Jahr gab es diese erste „Testphase“, in der sich die drei Sender die Sendezeit über den Tag aufteilten.

Radio W1 hatte ein kleines Studio in der Münzstraße 3, Main-Radio befand sich in der Augustinerstraße 15 und das Mainland-Radio – wie auch heute noch – in der Semmelstraße 15.

Hier mal zum Vergleich: Entscheiden Sie selber, welcher Sender schon damals – 1987 – „cooler“ klang … 😉

Radio Gong Mainland

Radio W1 (Sprecher: Christian Stürmann)

Am 4. Juni 1988 endete dann zum Glück das „Frequenz-Sharing“ in Würzburg und alle drei Sender bekamen eine eigene Frequenz. Mainland-Radio wurde zu „Radio Gong Mainland“ und wechselte auf die 92,1 (heute 106,9), Main-Radio (Umbenennung zu „Radio Charivari“) auf die 97,1 (heute 102,4) und Radio W1 auf die 95,8 (heute die Frequenz von „egoFM“).

Die Musikformate waren zu Anfang sowohl bei Main-Radio als auch bei Radio Gong – als auch heute – sehr im Mainstream-Bereich angelegt. Die Sender spielten ein Format, welches als „AC-Format“ bezeichnet wird. AC bedeutet „Adult Contemporary“ – also so viel wie „zeitgemäße Musik für Erwachsene“.

„Schalten Sie mal Ihr Radio ein – dann hören Sie es“, könnte ich jetzt ganz vereinfacht sagen. Aber ich möchte es doch ein wenig genauer erklären. Nichts, was „über den Sender“ geht, ist dem Zufall überlassen, und im Idealfall vorproduziert. Die Musiktitel und Interpreten müssen eine möglichst breite Akzeptanz beim Publikum haben, so dass hier ein Repertoire eingesetzt wird, das die angestrebte „Zielgruppe“ möglichst genau anspricht.

In der Regel werden die Hits der letzten 20 Jahre gespielt. Das Klangbild ist melodisch geprägt und leicht durchhörbar. Häufig gibt es längere „Musikstrecken“ (drei bis teilweise sogar sechs Titel ohne Unterbrechung). Der Stil ist freundlich und verbindlich; vorwiegend kommen Männerstimmen, die in der Tonlage mittig bis tief sind, zum Einsatz. Die Sprechbeiträge sind meist nicht länger als zwei Minuten und stark servicebezogen. Standardmäßig ist die Moderation kurz und positiv gehalten. Häufig werden aufwändige (Gewinn-) Spiele zur Hörerbindung eingesetzt.

Warum diese Definition und der damit verbundene Aufwand? Spielt denn der Moderator nicht, was er will?

Nein! In der Regel spielt kein Moderator in Deutschland, was er will (ganz wenige Ausnahmen bestätigen die Regel)! Die Musiktitel und auch die Musikfarbe sind bei den allermeisten Sendern (strikt) vorgegeben. Im Klartext bedeutet dies, dass ein Musikredakteur mit einer Planungssoftware am PC die Musik „plant“ und damit dem Moderator vorgibt. In der Planung sind viele Faktoren inbegriffen. So gibt es z.B. Titel, die zu gewissen Tageszeiten nicht laufen dürfen (zu schnell / zu langsam / zu negativ etc.), die Software „errechnet“ aber auch, dass sich nach Möglichkeit männliche und weibliche Interpreten abwechseln, dass Sommermusik nicht im Winter läuft und umgekehrt, dass am Anfang einer Sendestunde immer ein flotter Titel läuft usw.

Aus allen diesen und sehr vielen weiteren Faktoren, auf die ich hier nicht nicht weiter eingehen möchte, macht der Computer dann das, was allgemein gerne als „Dudelfunk“ bezeichnet wird. Denn viele Hörer haben das Gefühl, dass immer wieder die gleiche Musik läuft und das sich Radiosender nicht großartig unterscheiden.

Warum es die Sender trotzdem so machen? Nun ja – es geht wirklich um eine möglichst breite Akzeptanz der gespielten Musik. Viele Radiosender lassen die Musiktitel, die sie spielen, vorher beim Publikum testen (es gibt Firmen, die dies per Telefoninterview im Auftrag der Sender durchführen). Und die Titel, die in diesen Tests gut abschneiden, werden dann in die „Rotation“ genommen. Mit „Rotation“ ist der Bestand an Musiktiteln gemeint, die ein Radiosender tatsächlich spielt – aber nicht alle Titel, die im Archiv vorhanden sind.

Es gibt auch noch eine sogenannte „Heavy-Rotation“. Das sind in der Regel die aktuellen Hits, welche besonders oft im Programm laufen, aber mit dem Verschwinden aus den Charts auch nicht mehr so oft gespielt werden oder ganz aus dem Programm fallen. Alle Titel der Rotation spiegeln möglichst genau das Format eines Senders wieder. So wird zwar vermieden, dass Titel und Musikrichtungen, die nicht ins Format passen, im Programm auftauchen. Jedoch ist der große „Nachteil“ die vom Hörer gefühlte starke Wiederholung von bekannten Titeln. Manche Sender gehen deswegen dazu über, im Programm extra mit Sprüchen zu werben wie: „Bei uns hören Sie keinen Titel doppelt“.

Wie viele und welche Titel genau in der Rotation eines Senders sind, ist mehr oder weniger ein gut gehütetes Geheimnis. Man kann aber davon ausgehen, dass z.B. Sender die ein Hitradio-Format spielen (überwiegend aktuelle Charts in einem auf die Zielgruppe der 14 bis 29-jährigen zugeschnittenen Programm), mit 500 bis 800 Musiktiteln in der Rotation auskommen. In so einem Format verschwinden aber natürlich Musiktitel die nicht mehr in den Charts sind, recht flott aus dem Programm und werden durch neue Hits ersetzt. Die Top 10 – Titel werden entsprechend oft am Tag gespielt (siehe oben „Heavy-Rotation“).

Als Radio Gong in Würzburg Anfang der 90er Jahre ein „Hitradio“ war (Slogan war damals: „Ein Sender, alle Hits – Radio Gong“), kann ich mich daran erinnern, dass der Titel „Crazy“ von „Seal“ laut Aussage der Musikredaktion acht Mal am Tag lief (!!!). Um es Mal auf die aktuellen Verhältnisse in Würzburg umzumünzen: Ich weiß nicht, wie viele Titel dort in der Rotation sind. Ich vermute aber bei beiden Sendern einen Bestand von 1.500 bis 2.000 Titeln pro Sender, maximal. Im ersten Moment klingt das vielleicht nach viel. Wenn Sie aber mal rechnen, dass ungefähr zehn Titel pro Stunde gespielt werden und der Tag 24 Stunden hat, dann sind das rund 240 Titel am Tag und nach fünf Tagen schon 1.200 Titel. Eine gewisse Wiederholung ist also gar nicht zu vermeiden!

So ist es in einem Formatradio eben auch ganz verständlich, dass viele Titel oder Interpreten von früher – die Sie vielleicht eigentlich noch mögen – einfach eben nicht mehr im Radio laufen. Denken Sie doch mal z.B. an Interpreten wie die „Beatles“ und wie viele Songs es geben würde, die gut waren und die man spielen könnte? Wenn es hoch kommt, dann läuft vielleicht noch „All you need is love“ oder „Let it be“. Der „Rest“ der Beatles klingt aber einfach auch nicht mehr so, wie es ein Mainstream-Programm wie z.B. Antenne Bayern benötigt (die spielen eh keine „Oldies“).

Gerade dieser Sender ist sehr stark formatiert. Nur wenig, was dort über den Sender geht, ist dem Zufall überlassen! Sehr wahrscheinlich die wenigsten der „ach so zufälligen“ Anrufer, die gerade in der Morgensendung „On Air“ genommen werden und genau passend danach fragen, wann denn wieder „das Spiel mit dem geheimen Geräusch“ dran kommt, sind echt. Rechnen Sie einfach damit, dass solche Anrufe mitunter getürkt sind.

Denn wenn so ein Anruf gerade gut ins Programm passen würde, könnte man ja theoretisch auch mal einen Kollegen in der Redaktion oder einen Verwandten bitten, der eben mal anruft und den ahnungslosen Hörer spielt. Auch Gespräche mit Hörern (z.B. bei Gewinnspielen) sind bei Antenne Bayern oder Bayern 3 in den allermeisten Fällen nicht live, sondern kurz vorher aufgezeichnet.

Im Normalfall läuft das wie folgt ab: In einer kurzen Anmoderation weist der Moderator auf das Spiel hin, welches gleich im Programm kommt (ein sog. „Teaser“) und spielt dann zwei bis drei Musiktitel. Während diese Titel laufen, rufen die Hörer die bereits bekannte Studionummer an (und zahlen je nach Abgebrühtheit eines Senders 50 Cent pro Anruf über eine Sondernummer). Der Moderator hat zu diesem Zeitpunkt sein Mischpult umgeschaltet und kann nun – obwohl die Musik auf dem Sender zu hören ist – Telefongespräche mit den Hörern über das Sendemischpult an einem Extra-Computer aufzeichnen und bearbeiten.

Bei dieser Gelegenheit werden auch gleich unnötige Sprechpausen, „ähhhhs“ oder die Frage nach einem Musiktitel, den der Hörer gerne hören würde, aber nicht ins Programm passt, herausgeschnitten. Übrig bleibt ein perfektes Telefoninterview, welches ca. 30- 60 Sekunden dauert und am Schluss einen glücklichen Gewinner enthält, der im besten Falle auf die Frage des Moderators: „Welcher ist denn ihr Lieblingssender“, wie aus der Pistole geschossen natürlich „Radio XY“ antwortet…

Klar: für die „Durchhörbarkeit“ eines Senders ist das super! Auch der Hörer, der das Programm in der Regel eh nur „nebenbei“ hört, fühlt sich unterhalten und mag seinen Sender für die lockere Art der Moderatoren und wie sie mit dem Hörer am Telefon umgehen. Und nachdem alles so schön schnell vonstatten ging, wird der Hörer auch nicht weiter „belästigt“ mit ausufernden Gesprächen und kann wieder seine „Hits“ hören…

Sie merken es vielleicht – in meinen Worten schwingt ein gewisser Sarkasmus und gleichzeitig Verständnis für die Situation mit. Das rührt daher, dass ich selber viele Jahre bei verschiedenen Sendern als Moderator gearbeitet habe. Ich kenne die Hintergründe und Methoden also ganz genau. Wie gesagt: für die Durchhörbarkeit ist das super, andererseits macht es das Radio für meinen Geschmack auch „langweilig“, da kaum noch Unerwartetes passiert.

Als Radiohörer finde ich es selber mehr als unerträglich und höre selber kaum noch Radio (zumindest keine der Musiksender). Übrigens sind auch Kultur- und Wortprogramme in Deutschland längst formatiert. Als Beispiel wären da Bayern2 und das Deutschlandradio aus Berlin zu nennen. Auch dort gibt es ein einheitliches Jingle-Paket als „Programmverpackung“ und ein Musikformat, an welches sich gehalten wird.

Besonders „schlimm“ wird es mit dem Formatradio, wenn es so läuft, wie ich es mal bei einem bayerischen Radiosender erlebt habe (nicht in Würzburg!). Ich wollte damals einen ehemaligen Kollegen wiedersehen und besuchte ihn im Studio bei seiner Sendung. Plötzlich meinte er zu mir: „So: und jetzt machen wir ein Gewinnspiel – ich habe zwei Eintrittskarten für xy“. Ich sagte „Wow – wirklich xy? Wo habt ihr denn diese Karten her? Das Konzert ist doch längst ausverkauft!“. Und er sagte: „Wir haben die Karten nicht! Das was jetzt kommt, ist ein Fake!“.

Kurz danach folgte seine Anmoderation und er erwähnte die wirklich besonderen Eintrittskarten für xy, die man so nicht bekommen konnte, da total ausverkauft… Er spielte direkt danach zwei Musiktitel und nahm die wirklich zahlreich eingehenden Anrufer entgegen. Jedem sagte er, dass die Karten leider schon weg sind und über den Sender sagte er zwei Namen, die er sich gerade ausgedacht hatte.

Ich war wirklich verblüfft über diesen „Beschiss“, denn bei den Sendern, bei denen ich gearbeitet hatte, gab es so etwas nie! Er meinte dazu nur ganz lapidar: „merkt doch keiner, und die Hörer denken, wir sind der beste Sender mit den heißesten Gewinnspielen.“ Tja, so kann man es natürlich sehen, und Radiomacher, die dies nun lesen, werden ihm vielleicht sogar zustimmen. Ich persönlich war damals ziemlich „baff“ über die Dreistigkeit.

Aber letztlich muss man es auch so sehen: Je größer der Sender und je dichter umkämpft der lokale Radiomarkt ist, um so härter werden die Bandagen, mit denen gekämpft wird und gekämpft werden muss. Denn private Radiosender sind nichts anderes als „Wirtschaftsunternehmen“, die dafür zu sorgen haben, dass die Gesellschafter am Jahresende eine Dividende ausgeschüttet bekommen. Das Geld wiederum stammt zu 100% aus Werbeeinnahmen, die sich wiederum daraus berechnen, wie hoch die Einschaltquoten sind, die einmal pro Jahr ermittelt werden.

Es geht also beim Radio in erster Linie darum, dass der Hörer auf keinen Fall abschaltet und möglichst lange dran bleibt. Alles was „stört“ und den Musikfluss unterbricht, verschwindet aus dem Programm. Sei es eben durch kurzweilige Inhalte (Infotainment, Gewinnspiele etc.) oder die „größten Hits der 70er, 80er und 90er Jahre“. Gerade bei den großen bayerischen Radiosendern (Antenne und Bayern3) ist es auch so, dass Sie dort speziell zusammengeschnittene Musiktitel hören, die vor allem in den Morgensendungen verwendet werden. Weggeschnitten werden dann z.B. sich wiederholende Refrains und besonders gerne E-Gitarren-Solos.

Als Beispiel möchte ich den Titel „Heart of Stone“ von „Dave Stewart“ nennen. Ungefähr in der Mitte des Titels folgt ein recht heftiges Gitarrensolo. Bei Antenne Bayern fehlt dieser Part. Warum dies weggeschnitten wurde, hat wahrscheinlich zwei Gründe: 1. ist man im Formatradio der Meinung, dass so etwas den Hörer „stört“ und zum wegschalten bewegen könnte. 2. – und das ist der mitunter wichtigere Grund – kann man mehr Musik spielen, wenn die Titel kürzer sind.

Da die Verweildauer eines Hörers in der Regel nur 15 bis 30 Minuten beträgt, möchte man so den Eindruck erwecken, dass der Sender viel Musik spielt. Ein weiterer „Psychotrick“, der von Radiosendern – zumindest früher – gerne angewendet wurde, war, dass man Musik grundsätzlich mit einer höheren Geschwindigkeit von +2% abspielte. Diese minimale Steigerung der Geschwindigkeit ist für den Hörer nicht wahrnehmbar, wenn er nicht den direkten Vergleich hört. Die 2% bewirken aber, dass alles „freundlicher“ klingt, weil sich eben die Tonhöhe ändert. Der Radiohörer soll so eben den Eindruck bekommen, „die sind aber gut drauf“ oder aber auch: „die spielen aber flotte Musik“.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich Formatradio nicht grundsätzlich schlecht finde! Es kommt eben immer darauf an, was daraus gemacht wird. Und so lange sich Formatradio eben darauf beschränkt, die immer gleichen Gewinnspiele und Musiktitel zu senden und wirklich alles durchzuformatieren, wird es für mich als Hörer unerträglich. Leider ist es aber inzwischen so, dass es kaum mehr Radiosender gibt, die nicht zu irgendeinem großen Verlagshaus oder Radiokonzern gehören.

Radio W1 war einer der letzten Sender mit Vollprogramm in Bayern, der eben unabhängig war und kein striktes Musikformat als Vorgabe hatte. Ich wünschte mir sehr, dass man im Radio allgemein wieder mehr Mut hätte, „anders“ zu sein und eben nicht mit der Masse im Strom zu schwimmen, um „verwechselbar“ zu sein. Denn genau dies möchten die Radiomacher ja eigentlich verhindern.

Radio W1 war ein Sender, der sich der sog. „progressiven Rockmusik“ verschrieben hatte. Zwar wurden auch dort natürlich aktuelle Titel aus den Charts gespielt, der überwiegende Anteil gehörte aber eindeutig Interpreten wie „Tom Petty“, „The Eagles“, „Lou Reed“, „Dire Straits“, „The Police“, „U2“, „Europe“, „Scorpions“ und ähnlichen. Schon von Anfang an spielte also W1 eher Rockmusik als andere Musikrichtungen! Die ersten zwei Jahre des Lokalradios in Würzburg hatte ich selber aber nur am Rande mitbekommen und war – aufgrund meines Alters – kaum an dem Thema interessiert und habe es wenig gehört. Dies änderte sich schlagartig, als ich 1989 eines Tages das „gläserne Studio“ im Wöhrl-Haus entdeckte, aus dem gesendet wurde.

Mit meinen damals gerade 14 Jahren war es absolut faszinierend, die Moderatoren, die ich eben noch im Radio gehört hatte, nun auch live sehen zu können. Aus diesem Umstand heraus entwickelte ich mich sehr schnell zu einem wahren „Fan“ von W1 und habe dann eigentlich kaum mehr anderes gehört. Regelmäßig stand ich vor der dicken Studioscheibe und war wie von einem „Virus“ befallen, der sich „Radio“ nennt. Mein späterer beruflicher Werdegang hat ganz sicher also genau an dieser Stelle seinen Anfang genommen …

Wie es die Umstände so wollten, fiel meine „Entdeckung“ auch noch in eine für mich wichtige musikalische Zeit in meinem Leben. Den meisten von uns geht es wohl so, dass sie zwischen 12 und 14 Jahren anfangen sich vermehrt für Musik zu interessieren – das war bei mir nicht viel anders. Und so hat W1 seinerzeit auch nachhaltig meinen Musikgeschmack geprägt. Die Titel und Interpreten, die ich bei W1 hörte, kannte ich damals natürlich im Großen und Ganzen nicht. Heute sind Interpreten wie Neil Young, Tom Petty oder andere bei W1 gehörte, meine „täglichen Begleiter“ geworden und ich bin ehrlich gesagt dankbar für diese Prägung!

Lockere Arbeitsatmosphäre in der Redaktion im Wöhrl-Haus. Danke für das Foto an Kai Fraass der hier auch auf dem Bild zu sehen ist.
„Lockere“ Arbeitsatmosphäre in der Redaktion im Wöhrl-Haus.

Radio W1 existierte vom 8. Mai 1987 bis zum 1. Oktober 1992. In diesen gut fünf Jahren wechselte der Sender insgesamt dreimal seine Räumlichkeiten. Die ersten gut zwei Jahre war das Studio in einer kleinen Dachgeschosswohnung in der Münzstraße 3 untergebracht. Dort wurde es offensichtlich schnell zu eng und man nutzte – nachdem der Sender die eigene Frequenz 95,8 zugewiesen bekommen hatte – die Gelegenheit zu einem Umzug in das Modekaufhaus Wöhrl mit der Adresse „Beim Grafeneckart 10“.

Radio W1 - Radio zum Mitmachen für Unterfranken. Handzettel wie diese lagen immer wieder mal vor dem gläsernen Studio im Wöhrl-Haus aus. Auf der Rückseite konnte man an einem Gewinnspiel teilnehmen. Der Flyer war übrigens im Original grünes Papier und ist inzwischen - weit über 20 Jahre danach - entsprechend vergilbt.
Radio W1 – Radio zum Mitmachen für Unterfranken.

Dort wurden die Räumlichkeiten ausgebaut und es entstanden ein großer Redaktionsraum, einige Büros, ein kleineres Produktionsstudio sowie natürlich das Sendestudio. Durch den Neubau der Räumlichkeiten an dieser Stelle ergab sich die Möglichkeit, ein sogenanntes „Gläsernes Studio“ einrichten zu können. Somit konnten alle Hörer jederzeit während der Wöhrl-Öffnungszeiten mit der Rolltreppe in die dritte Etage fahren und den Moderatoren durch eine Glasscheibe bei der Arbeit zusehen. Damit man vor der Scheibe auch etwas mitbekam, waren zwei kleine Lautsprecher angebracht, über die das Programm übertragen wurde.

Bereits 1989 ging es dem Sender zusehends finanziell schlechter und das Programm war kurz davor, aus eben diesen Gründen total eingestellt zu werden, nachdem einer der Mitgesellschafter Konkurs angemeldet hatte. Zu dieser Zeit klebte für einige Zeit sogar der „Kuckuck“ auf der Plattensammlung des Senders. Nachdem auch Mietzahlungen ausgestanden waren, musste sich Radio W1 kurzerhand ein neues Domizil suchen und landete im Juli 1990 in der Ludwigstraße 8a.

Im Hinterhaus der dortigen Pritzel-Wäscherei (wenn man ins Haus hereinkam, roch es immer extrem nach Waschmittel) hatte Mitgesellschafter Manfried Prater ein kleines Rundfunkstudio, welches er W1 zur Aufrechterhaltung des Sendebetriebs zur Verfügung stellte und den Sender somit kurzfristig vor dem Untergang bewahrte.

Radio W1 kann man im Rückblick der Geschichte ohne Frage als „Stehaufmännchen“ bezeichnen. Denn nach all den oben beschriebenen Schwierigkeiten schaffte es der Sender tatsächlich, für ein weiteres Jahr zu überleben. Am 17. Oktober 1991 startete ein komplett neues Hitradio-Programm mit überwiegend neuen Moderatoren, die vorher über das „Trend-Magazin“ gecastet und im Studio „Off-Air“ bis zur „Sendetauglichkeit“ getestet und trainiert wurden. Zwar klang W1 ab diesem Tag musikalisch und inhaltlich komplett anders, war aber immer noch alternativ und ziemlich cool.

Der „Anfang vom Ende“ kam für W1 im November 1989, als die „W1 GmbH“ – eines der sechs Mitglieder der Anbietergesellschaft – beim Amtsgericht Würzburg einen Vergleich anmeldete, der aber kurz darauf wieder zurückgezogen werden konnte. Schon damals stand zur Debatte, den Sendebetrieb einzustellen.

Überraschend half aber der Arzt und Amtsrichter Dr. Bernd-Jochen Strubel dem Sender sozusagen aus der „Patsche“. Über seine Frau Sigrun war er bereits am W1-Mitanbieter „Freie Welle“ beteiligt. Sigrun Stubel stellte damals die Zahlungsfähigkeit der W1-GmbH wieder her. Gegenüber der Main-Post äußerte Stubel später, dass das Ehepaar „in vier Monaten über 200.000 D-Mark für Honorare und Rechnungen“ übernommen habe. So sei der „zu neun Zehnteln tote“ Sender „wieder zum Leben erweckt“ worden.

Main-Post Artikel vom 06. Juni 1990
Main-Post Artikel vom 06. Juni 1990

Lange sollten die Gelder damals aber nicht ausreichen: Am 5. Juni 1990 meldete die W1 GmbH beim Amtsgericht Würzburg endgültig Konkurs an. Der damalige Geschäftsführer Dieter Frieß begründete dies damit, dass zum 31. Mai 1990 eine Zusage widerrufen worden war, die laufenden Kosten des Sendebetriebs – für den überwiegend die W1 GmbH zuständig war – vorzufinanzieren. Unter diesen Umständen habe man nicht weiterarbeiten können. Die durchweg mittelständischen Anbieter und ihre Geldgeber waren also schlicht und ergreifend nicht mehr in der Lage, die Kosten für den Sendebetrieb zu tragen.

Frieß richtete seinerzeit auch schwere Vorwürfe an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Man hatte in Würzburg „andere Geldgeber“ gefunden, die auch bereit gewesen wären, eine neue W1-Produktionsgesellschaft zu gründen. Dies habe die BLM aber abgelehnt. In diese neue Firma hätte ein Gesellschafter eintreten sollen, der bis dato nicht unter den W1-Anbietern war und daher keine „Lizenz zum senden“ hatte – das wäre gesetzlich nicht zulässig gewesen. 2)“Mitanbieter von Radio W1 meldet Konkurs an“ → Main-Post Artikel vom 6. Juni 1990

Main-Post Artikel aus dem Jahr 1991.
Main-Post Artikel aus dem Jahr 1991.

Dieter Frieß warf bereits zum 31. März 1990 das Handtuch und kündigte seinen Vertrag als Geschäftsführer der W1-Anbietergesellschaft, blieb aber weiterhin Geschäftsführer des Anbieters W1 GmbH. Neben ihm gingen zu diesem Termin auch Chefreakteur Hermann Haupt und der Leiter der Werbeabteilung Peter Lewandowsky. Frieß begründete seinen Schritt damals damit, dass er die „geplante künftige Konzeption des Senders aus Überzeugung nicht mittragen“ könne. Der Etat für die redaktionelle Arbeit sollte weiter reduziert werden, und er glaubte nicht, dass sich der Sender damit auf einem erfolgversprechende Weg befindet und konnte sich damit „nicht identifizieren“. 3)“Geschäftsführer Frieß steigt aus“ → Main-Post Artikel vom 27. März 1990 Wie sich später zeigte, sollte er letztlich damit Recht behalten…

Die BLM war damals drauf und dran, W1 komplett dicht zu machen. Sie berief sich dabei auf ein Wirtschaftsgutachten, nachdem drei Radios für Würzburg angeblich zuviel gewesen wären und wollte die angespannte wirtschaftliche Situation nutzen, um für ein Ende zu sorgen. Die Kabelgesellschaft (der lange Arm der BLM in Würzburg) forderte gar zynisch ein „sauberes Ende“ für Radio W1. In Würzburg bekam die Öffentlichkeit damals reichlich von der Situation mit.

Einerseits berichtete die Main-Post immer wieder über die Schwierigkeiten der Medienkollegen, andererseits war da das kleine Groschenheft und Trend-Magazin (vom Mitgesellschafter Manfried Prater), die ausführlich über das Thema berichteten und die „Fans“ des Senders zum Handeln aufriefen. In einer Groschenheft-Ausgabe war zu lesen:

Also: nehmt die Postkarten zur Hand und schreibt an die BLM `Wir brauchen W1`, ‚W1 darf nicht sterben!‘. Ruft den Sender an, zeigt, dass ihr das Programm noch hören wollt, oder lasst euch sonst was einfallen. Phantasie ist gefragt.

Aus dieser Zeit befand sich bis weit nach der Jahrtausendwende ein Graffiti in einer Bahnunterführung an der Stuttgarter Straße. „Rettet W1“ konnte man dort immer noch in roten Lettern lesen.

Eine Erinnerung an vergangene Zeiten die seit über 22 Jahren hält. Ein Graffiti in der Bahnunterführung an der Stuttgarter Straße zeigt den Schriftzug "Rettet W1".
Ein Graffiti in der Bahnunterführung an der Stuttgarter Straße zeigt den Schriftzug „Rettet W1“.

In Ihrer Sitzung vom 28. Juni 1990 hatte die BLM dann entschieden, dass W1 trotz all der Schwierigkeiten auf Sendung bleiben darf, wenn man ein „tragfähiges wirtschaftliches Konzept“ entwickeln würde – und so sollte es tatsächlich auch kommen!

Funkanalyse von 1990

Radio W1 war laut der Funkanalyse von 1990 das „Meist gehörte Programm“ von allen drei Lokalradios in der Zielgruppe 14 bis 39 Jahre! Bei der Infratest Funkanalyse 1990 wurde die Frage gestellt: „Welchen Sender, welches Programm hören Sie persönlich am meisten?“ In der Altersgruppe 14 bis 29 Jahre lag W1 mit stolzen 14% ganz deutlich vor den anderen beiden Sendern (Gong 8%, Charivari 7%). Auch in der Altersgruppe 14 – 39 Jahre lag W1 noch mit 9% vor Gong (8%) und Charivari (7%).

Das war damals ein Spitzenwert und bedeutete, dass andere Sender Hörer hatten, W1-Hörer aber waren eben Fans! 78% der W1-Hörer waren Fans, die ihrem Radio sehr treu waren und W1 zu ihrem „meist gehörten Sender“ gewählt hatten. Zum Vergleich: Nur 54% der Gong-Hörer und 49% der Charivari-Hörer wählten ihr Programm zum meist gehörten Programm.

Fast auf den Tag genau vier Wochen nach der BLM-Entscheidung – am 6. Juli 1990 – räumte W1 dann das Sendestudio im Wöhrl-Haus. Ausstehende Mietzahlungen führten für den Sender zur Kündigung der Räumlichkeiten. Eigentlich ein absoluter Super-GAU für einen Radiosender! Zu allem Überfluss klebte damals der „Kuckuck“ auf der Plattensammlung. Hier eine der letzten Moderationen aus dem Studio im Wöhrl-Haus von Claudia Back.

Main-Post Artikel vom 7. Juli 1990. Am Tag vorher war Sendeschluss im gläsernen Studio im Wöhrl-Haus.
Main-Post Artikel vom 7. Juli 1990.

Nachmittags um 16 Uhr war damals nur noch Rauschen auf der Frequenz 95,8 zu hören. Aber nur für gut fünf Minuten. Dann nämlich war von der Post umgeschaltet worden in das „neue“ Studio in der Ludwigstraße 8a.

Mitgesellschafter Manfried Prater hatte spontan sein eigenes kleines Rundfunkstudio zur Verfügung gestellt, um den Sendebetrieb aufrechtzuerhalten. Für die ersten Tage war fortan nur „Nonstop-Music“ vom Tonband zu hören. Solange, bis die eigentliche Sendetechnik im Wöhrl-Haus abgebaut und im neuen Studio wieder aufgebaut war. Auch die Redaktion musste natürlich umziehen. 4)“Beim großen Rauschen wechselte W1 die Frequenz“ → Main-Post Artikel vom 7. Juli 1990

Das Programm „dümpelte“ dann einige Wochen so vor sich hin. Jetzt musste einiges anders werden bei Radio W1, damit das „wirtschaftlich tragfähige Konzept“ auch tatsächlich in die Tat umgesetzt werden konnte. Für W1 war es jetzt unerlässlich, Werbekunden aufzutreiben, die Geld in die leeren Kassen spülen sollten.

Studiobesuch bei Kai Fraass im Sendestudio in der Ludwigstraße. Danke für das Bild an Kai Fraass der hier auch zu sehen ist.
Studiobesuch bei Kai Fraass im Sendestudio in der Ludwigstraße.

Die Idee, die damals die Rettung für den kleinen Sender brachte, hatte man sich aus den USA abgeschaut. Statt nur „normale“ Werbung im Programm zu senden, wurden gleich komplette Sendestunden an 12 regionale Sponsoren verkauft. Es mussten also die „goldenen 12“ gefunden werden, die 12 Stunden Programm im Zusammenschluss tragen sollten.

Es dauerte eine Weile, bis endlich klar war, wer diese sein würden. Als dann aber die Sponsoren endlich gefunden waren, wurde dies On-Air voller Stolz mit folgendem immer wiederkehrenden Spot verkündet. Dafür musste Neil Young mit„Rockin‘ in the free world“ herhalten.

Zum Start des neuen W1-Programms am 17. Oktober 1991 wurden überall in der Stadt Handzettel verteilt mit der Aufschrift: "Jetzt funkt´s anders".
Handzettel: „Jetzt funkt´s anders“.

Mit dabei waren damals unter anderem die Sparkasse Mainfranken, Bono Möbelabholmarkt, Breuninger Top-Shop, Teeparadies, Brückenbäck, Wohngesund, Groschenheft und Trendheft, der Zauberberg, die Reinigung I.B. Mahler und einige Weitere. Und so war ab diesem Zeitpunkt zum Beginn einer Sendestunde eben der Hinweis zu hören, welche Kunde nun die folgende Stunde „gekauft“ hatte.

Aber das sollte noch nicht alles sein, was „neu“ war auf der 95,8. Auch das Programm sollte sich bald komplett ändern. W1 wurde vom „Rock ’n‘ Roll Sender“ zu einem Hitradio. Der Startschuss dafür fiel am 17. Oktober 1991 um 6 Uhr.

Für den neuen W1-Sound musste auch das alte Jingle-Paket weichen, da dieses beim besten Willen nicht mehr wirklich zu einem schnellen und „aggressiven“ Hitradio-Format passte. Auch die Station-Voice wurde bei dieser Gelegenheit ausgewechselt und so war statt Bodo Henkel inzwischen John de Graaf die tonangebende Stimme des Senders. Das Ergebnis klang dann wie folgt:

Jingle-Collage

Station-Voice-Collage

Mit der Programmreform wurde auch der eigentliche Sound der Station verändert. Dazu wurde kräftig am Sendekompressor gedreht, sodass W1 ab diesem Tag deutlich bassiger und vor allem komprimierter klang. Damit sollte eine möglichst hohe Ausgangslautstärke im Radio erreicht werden, was auch gelang. Allerdings war der Nachteil, dass man ein eindeutiges sogenanntes „Pumpen“ des Kompressors hören konnte.

W1-Aufkleber in der letzten Version. Dieser war auch etwas kleiner als der oben gezeigte erste Aufkleber.
W1-Aufkleber in der letzten Version.

Es half alles nichts: W1 sollte nicht länger auf Sendung bleiben und sowohl finanzielle als auch medienpolitische Gründe führten letztlich am 1. Oktober 1992 zum unweigerlichen Ende des Kults auf der 95,8.

Daran war auch Radio Gong aus dem Funkhaus Würzburg nicht ganz unschuldig. Ohne Genehmigung hatte Gong nämlich das Musikformat gewechselt und war ein Hitradio geworden (neuer Slogan: „Ein Sender – alle Hits. Radio Gong“). Mit diesem Programm hatte man es – wie W1 – auf die Zielgruppe der 14 – 39-jährigen Hörer abgesehen. Weder der Medienrat noch die BLM hatten diesen Formatwechsel damals genehmigt! 5)“Grüne: Würzburger Sender „W1″ wird ausgeblutet“ → Neue Volkacher Zeitung vom 11. Juli 1990 Gong hatte sich also frech und unerlaubt in der Nische von W1 platziert, um die junge Hörerschaft „abzugraben“. Denn genau diese Hörerschicht war es, in der W1 traditionell am erfolgreichsten in Würzburg war. (siehe „Funkanalyse von 1990“ im Abschnitt „Der Anfang vom Ende“)

Zusätzlich war mittlerweile das „Funkhaus Würzburg“ gegründet worden. Radio Charivari war also mit in die Räumlichkeiten von Radio Gong in der Semmelstraße gezogen. Somit konnten beide Sender sehr gut Geld einsparen bei Personal, Mietkosten, Technik und Werbezeitenverkauf und hatten einen erneuten wirtschaftlichen „Vorteil“ gegenüber Radio W1. Genau dieser „Vorteil“ sollte es W1 erst recht schwer machen. Der W1-Geschäftsführer Manfried Prater sagte der Neuen Volkacher Zeitung damals: „W1 gerate immer tiefer in die roten Zahlen, seitdem die beiden anderen Radios kooperieren“. 6)“Grüne: Würzburger Sender „W1″ wird ausgeblutet“ → Neue Volkacher Zeitung vom 11. Juli 1990

Auch der Journalistenverband kritisierte das Funkhauskonzept schon vor seiner Gründung. Nach Ansicht des Verbandes widersprach dies der Zielsetzung des Landesmediengesetzes, die „Meinungsvielfalt zu vergrößern“. „Den Hörern in der Region Würzburg würde dadurch nur noch auf musikalischem Sektor eine Auswahlmöglichkeit geboten“, kritisierte der Verband. Da W1 eine ausreichende Lokalberichterstattung personell und finanziell nicht gewährleisten könne, erhalte das gemeinsame Wortprogramm von Gong und Charivari eine monopolartige Stellung. 7)“Monopolstellung lässt Welle „W1″ keine Chance“ → Main-Post Artikel von 1990 (genaues Datum unbekannt, Artikel liegt vor)

1. Oktober 1992 – der letzte Sendetag

Der letzte Sendetag von Radio W1 war dann nochmal ein wirklich besonderer. Fast alle Moderatoren, die aktuell zur Crew gehörten, hatten an diesem Tag nochmal eine Sendung und – sehr unüblich für ein Hitradio – war es am letzten Tag den Moderatoren überlassen, welche Musik sie spielten.

So war also der letzte Tag nochmal richtig „ehrlich“ und hatte wieder den Charme der Vergangenheit. Die W1-Djs spielten neben ihren „peinlichsten Lieblingsliedern“ auch einfach ihre Lieblingsplatten. Den ganzen Tag über kamen unzählige Faxe in der Redaktion an (Email und Internet gab es ja noch nicht), die immer wieder von den Moderatoren vorgelesen wurden. Alle Hörer – oder besser gesagt, die „Fans“ von W1 – bekundeten ihren Unmut über das nahende Ende. In den Nachrichten wurde stündlich darauf hingewiesen, dass am Abend Sendeschluss sein würde.

Um Punkt 20 Uhr war es dann soweit. Zu diesem Moment lief das erste Mal die legendäre Endlosschleife an, die Moderator und W1-Urgestein Kai Fraass eigens für das „dicke Ende“ von W1 produziert hatte. Die W1-Frequenz 95,8 blieb noch ganze drei Wochen offen stehen und viele Würzburger hatten vielleicht wirklich die Hoffnung, dass es doch nochmal weitergehen würde (mich eingeschlossen). In dieser Zeit lief rund um die Uhr – Tag und Nacht – die Endlosschleife mit der Absage von Kai und dem Titel „The End“ von den „Doors“ und wurde wiederum zum Kult in Würzburg. In einigen Kneipen der Stadt lief damals teilweise wirklich nichts anders mehr…

Und hier schließt sich der Kreis: W1 hatte eben keine Hörer, sondern W1 hatte Fans!

Alle, die diesen Artikel nun gelesen und das Ende von W1 damals „verpasst“ haben, können es hier nun noch einmal mit den folgenden beiden Audioplayern „erleben“. Moderator der letzten W1-Sendung war Armin Clauß.

Die letzten 23 Sendeminuten
vom 1. Oktober 1992

Die legendäre Endlosschleife
(mit Loop-Funktion)

Wirklich schwer zu ertragen war dann das, was nach W1 auf der 95,8 folgte – es war schlicht und ergreifend der krasse Gegensatz! Denn nach dieser Zeit startete „Radio Melodie“ aus München mit einem 24-Stunden-Hardcore-Volksmusikprogramm. Interpreten wie die „Kastelruther Spatzen“ oder „Marianne und Michael“ waren jetzt angesagt. Erstaunlicherweise hielt sich der Sender bis zum 31. März 2008 und wurde dann eingestellt.

Heute sendet auf der Frequenz 95,8 das private Jugendradio „Ego-FM“ aus München und klingt dabei für meinen Geschmack gar nicht mal so schlecht. Allerdings ist die einzige Gemeinsamkeit mit W1 vielleicht, dass auch Ego-FM keine Mainstream-Musik spielt – das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten.

Ehemalige W1-Mitarbeiter (Moderatoren) und was aus ihnen wurde (soweit bekannt)

1987 – 1991

Claudia ist seit ihrer Zeit bei W1 als professionelle Sprecherin in verschiedenen Sprachen aktiv.

Boris war in verschiedenen Sendungen bei W1 zu hören. Nach dem Ende des Senders wechselte er zu RTL Radio und war dort ab Oktober 1992 als Moderator zu hören. Anschließend war er viele Jahre in München für den Programmzulieferer der bayerischen Lokalradios (BLR) als Nachrichtensprecher tätig. Ironischerweise war er damit auch wieder in Würzburg zu hören – dieses Mal aber bei Gong und Charivari, die bis heute ihre Weltnachrichten zur vollen Stunde aus München übernehmen. Boris Eichler ist heute Bereichsleiter Kommunikation und Pressesprecher der „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ tätig.

Der folgende Mitschnitt stammt aus irgendeiner Faschingssendung – wahrscheinlich 1989 – und ist eine Doppelmoderation mit Sam Raabe. Beide waren offensichtlich „gut drauf“ und so ist das, was in diesem Senungsmitschnitt zu hören ist, selbstverständlich nicht so ganz ernst zu nehmen. 😉

Kai war in diversen Sendungen bei W1 zu hören und sollte der letzte Chefredakteur von W1 werden. In Würzburg bekannt wurde er vor allem durch seine Sendung „Kai war dabei“ und natürlich die legendäre Endlosschleife von Radio W1. Nach W1 wechselte Kai zur Main-Post und absolvierte dort nochmal ein Volontariat (= Ausbildung zum Redakteur). Im Anschluss daran war er einige Jahre im Funkhaus Würzburg für Gong und Charivari tätig und hatte einen Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Dort dozierte er Hörfunkjournalismus und leitete das Hörfunkstudio der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften. Heute ist Kai Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Heiligenfeld GmbH in Bad Kissingen.

Jörg moderierte bei W1 unter anderem „Die etwas andere Sendung“ mit dem Titel „W1 Downtown“. Heute ist Dr. Med. Jörg Fierlings Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide und zudem der leitende Notarzt der Stadt Bremerhaven.

Promo für die Sendung:

Dieter Frieß kündigte zum 31. März 1990 seinen Vertrag als Geschäftsführer der W1-Anbietergesellschaft, blieb aber weiterhin eine Zeit lang Geschäftsführer des Anbieters W1 GmbH.

Kaya moderierte hauptsächlich die Nachmittagssendung „Ticker Time“ und wechselte später zu Radio NRW (Mantelprogrammzulieferer der Lokalstationen in NRW). Einige Jahre später habe ich ihn auch als Nachrichtensprecher bei RTL 2 im Fernsehen gesehen.

Kaya war mit Marcus Schiller außerdem einer der beiden Moderatoren der „Top 2000“ – die längste Hitparade der Welt. Über neun Tage wechselten sich die beiden Moderatoren im acht-stündigen Wechsel ab. Meines Wissens nach ist dieser Weltrekordversuch bis heute ungeschlagen. Einen Eintrag in das Guinessbuch der Rekorde schaffte W1 damals leider nicht. Grund war wohl, dass entgegen der Statuten Werbung im Programm gespielt wurde (wie hätte es auch anders sein sollen – ein privater Radiosender lebt ausschließlich von Werbung und kann nicht neun Tage lang keine Werbung spielen – das würde schnell den finanziellen Ruin für jeden Privatsender bedeuten).

Kaya ist im Alter von 39 Jahren im Jahr 2004 aus dem Leben geschieden.

Wechselte nach seiner Kündigung zum 31. März 1990 nach München zum damals neuen Fernsehsender „Tele5“ und widmete sich Musikprojekten. So organisierte er z.B. 1990 „Rock meets classic“.

Nachfolger wurde Martin Bauer, der nur kurz in dieser Position blieb und dann zu Radio Charivari wechselte.

Wolfgang war bei W1 der stets gut gelaunte Morgenmoderator und zuständig für die Musikredaktion. 1991 wechselte er zur damals gerade eröffneten „Antenne Düsseldorf“ und war auch dort viele Jahre als Morgenmoderator tätig. Heute arbeitet er ebenfalls in Düsseldorf als freier Kameramann im Medienstudio Heuer.

Der Folgende Ausschnitt stammt aus dem W1 Radiowecker vom 18. Juli 1989 – am Tag vorher fand das Feuerwerk beim Kiliani-Volksfest statt und wurde so zu einer lustigen Doppelmoderation mit Uschi Lamertz.

Gleiche Sendung, etwas später…

Uschi Lamertz (heute Wienken) war von Januar 1988 bis Januar 1989 als Moderatorin für W1 tätig. Sie wechselte später zu verschiedenen Radiosendern in Deutschland und war dann bis 2009 stellvertretende Direktorin / Programmplanung bei der Deutschen-Hörfunkakademie. Heute ist sie in Köln Geschäftsführerin ihrer Firma WIE.QM.

Audiobeispiel: Siehe „Wolfgang Heuer“

Sam hatte von Mo – Fr die Hörerwunschsendung „Wie es Euch gefällt“. Er moderierte außerdem viele Musiksendungen aus dem Bereich Rock und hat W1 bis zur Programmreform sicherlich musikalisch geprägt. Nach der Programmreform zum Hitradio 1991 wechselte er zu Radio Gong Nürnberg und war dort viele Jahre tätig.

Audiobeispiel: Siehe „Boris Eichler“

Wunschkarte für die Sendung "Wie es Euch gefällt". Die Karten lagen immer vor dem gläsernen Studio im Wöhrl-Haus aus und konnten von jedermann ausgefüllt und in die dafür bereitstehende Box geworfen werden.
Wunschkarte für die Sendung „Wie es Euch gefällt“.

Karin ist die Schwester von Kay und moderierte verschiedene Sendungen. Unter anderem vertrat sie ihren Bruder zu Urlaubszeiten im „Night Train“. Sie war einige der sehr wenigen weiblichen W1-Moderatorinnen und mit Ihrer Stimme prädestiniert für das Abendprogramm. Ihre Stimme war aber auch tagsüber in den Nachrichten oder anderen Sendungen zu hören.

So auch in einem Interview mit der Schauspielerin Jutta Speidel vom 15. März 1989. Jutta Speidel war an diesem Samstagnachmittag für eine Autogrammstunde im Wöhrl-Haus anwesend und man nutzte die Gelegenheit, sie zu einem Interview hoch in den dritten Stock zu holen.

Nach Radio W1 zog es Karin Rodegra zum Fernsehen und sie war beim damals noch neuen „RTL Plus“ in Köln als Ansagerin und Moderatorin des Morgenmagazins tätig. Aufmerksamkeit erregte sie in Würzburg nochmal, als sie Nacktbilder für den Playboy machen lies. Auch bei RTL sorgte sie mit „nackten Tatsachen“ für Aufsehen… Inzwischen ist die diplomierte PR Fachwirtin für ein Schweizer Beratungsunternehmen in Zürich tätig.

Kay jobbte neben seinem Jura-Studium bei W1 und moderierte hauptsächlich den „W1-Nighttrain“ sowie die „Schmuse-Muse“. Zusätzlich war er als DJ in der Würzburger Kultkneipe Nachtwächter aktiv. Heute hat er eine Anwaltskanzlei für Reise- und Luftverkehrsrecht in Würzburg und taucht von Zeit zu Zeit im ARD-Morgenmagazin und der ZDF-Sendung „Volle Kanne“ am Vormittag als Fachmann zu juristischen Themen auf. Zusätzlich gehört er zum Ratgeber-Team der Bild am Sonntag. Kay ist heute auch Vorsitzender des von ihm 2013 mitgegründeten „Verein Fatalis – Hilfe bei Schicksalsschlägen auf Reisen e.V.“. Ziel des Vereins ist es, Reisenden zu helfen, die während ihrer Reise einen folgenschweren Unglücksfall erlitten haben.

Zusammenschnitt eines „W1-Night-Train“

Marcus war in den unterschiedlichsten Sendungen von W1 zu hören. Unter anderem moderierte er zusammen mit Kaya Gök „die längste Hitparade der Welt“ unter dem Titel „Top 2000-Y“. Das „Y“ wurde kurz vor dem Start aus rechtlichen Gründen aus dem Titel entfernt und so war es dann die „Top 2000“ (auch die extra angefertigten Jingles mussten „umgeschnitten“ werden und auf den Plakaten wurde das „Y“ provisorisch überklebt). Die beiden Moderatoren wechselten sich alle acht Stunden in der Moderation ab – und das in der Tat neun Tage lang! Die Abschlussveranstaltung fand dann als Live-Übertragung aus dem Airport statt. Den Weltrekordtitel konnten die beiden aber leider nicht nach Würzburg holen. W1 sendete nämlich entgegen den Statuten Werbung im Programm. Für Würzburg war es aber trotzdem bis heute eine einmalige Aktion, die sich in diesem Ausmaß kein lokaler Sender je wieder zugetraut hat. Kurz vor der W1-Programmreform wechselte Marcus zur RTL-Radio nach Stuttgart. Später kam er zurück nach Würzburg, um hier im Laufe der Jahre auf Hörfunkwerbung spezialisierte Werbeagenturen zu betreiben, die heute aber nicht mehr existieren.

Aus den Tagen, als es mit W1 im Wöhrl-Haus zu Ende ging, stammt dieser Mitschnitt des W1-Radioweckers. Zu dieser Zeit war das Programm inhaltlich bereits auf ein Minimum zurückgefahren worden und es wurde auch am Personal gespart. Anders lässt sich wohl auch der süffisante Kommentar gegen Ende der Aufnahme von Marcus nicht erklären, in dem er sagt: „ich wäre ja schon zufrieden, wenn ich einen Redakteur hätte hier“. Denn im Normalfall wurden die Nachrichten natürlich nicht vom Moderator vorgelesen, sondern von einem Nachrichtensprecher bzw. Redakteur…

Weitere ehemalige Moderatoren:

Philipp Hampl, Peter Salinger,

1991 – 1992

Armin hat bei W1 unter anderem die Airplay Charts am Samstag moderiert. Zusätzlich war er der Moderator der allerletzten Sendung von W1 am 1. Oktober 1992. Armin ist heute für die Druckerei Bonitasprint GmbH tätig und moderiert seit 2021 für Radio Charivari in Würzburg.

Michael war bereits ab 1990 als technischer Leiter der MEGAphon Veranstaltungstechnik GmbH in Würzburg tätig und betreibt heute als Geschäftsführer die IT-Firma netz-haut GmbH in Würzburg.

Hugo war nach W1 eine Zeit lang für eine Hörfunkwerbeagentur in Würzburg aktiv. Heute ist er vor allem in Würzburg und ganz Franken als Musiker mit seiner Blues-Band „Hugo for sale“ unterwegs und bekannt für gute Live-Musik.

Diana war auch nach dem Ende von W1 im Bereich Radio tätig und hat unter anderem in Frankfurt für das neu geschaffene Jugendradio „XXL“ und Sender wie 1Live, HR3, SWF3 und andere gearbeitet. Als TV-Moderation war sie unter anderem im HR-Fernsehen und beim WDR zu sehen. Heute sie als die Sängerin „Noah Sow“ aktiv.

Diana war es auch, die den „W1-Rap“ zum Besten gegeben hat. Auch bei dem von W1 mit initiierten Musikprojekt „Voices against violence“ aus Würzburg war sie als Rapperin zu hören.

W1-Rap mit Diana Komianos

Marko war damals mit 16 Jahren einer der jüngsten Moderatoren im neuen Programm von W1. Nach dem Ende des Senders wechselte auch er zu Radio Gong und später zu anderen Sendern im Bundesgebiet. Heute ist Dr. Marko Lutz studierter Betriebswissenschaftler und im Verlag Grunner + Jahr als Geschäftsführer bei „Electronic Media Sales“ tätig.

Manfried Prater war der Geschäftsführer der „Radio W1 Programm Durchführungs GmbH“ (Nachfolger der in Konkurs gegangenen „Radio W1 GmbH“) und außerdem Eigentümer und Betreiber der ehemaligen Stadtmagazine „Trend“ und „Groschenheft“.

Prater war es auch, der bis zum letzten Tag an „vorderster Front“ in seiner Funktion als Geschäftsführer für den Erhalt des Senders bei der BLM in München kämpfte und so versuchte, den Sender bis zum unweigerlichen Ende am Leben zu halten.

Einige Zeit nach dem Ende von Radio W1 verkaufte er die von ihm betrieben Stadtmagazine an das Funkhaus Würzburg. Aus dem ehemaligen „Trend Magazin“ wurde so das „Fritz Magazin“. Nach einem weiteren Verkauf der Zeitschrift wurde aus dem „Fritz Magazin“ das heute noch bestehende „Frizz Magazin“.

Uli war damals Volontärin bei W1 und wechselte nach dem Ende des Senders zu Radio Gong in Würzburg. Nach einigen Jahren ging sie zu Antenne Bayern und war dort viele Jahre unter anderem als Moderatorin und Autorin tätig. Heute ist sie in der Nähe von München für die Firma „Drehmoment Videoproduktion“ aktiv.

Holger war schon viele Jahre vor dem W1-Hitradio in Würzburg bei Radio Gong Mainland tätig und ging 1988 nach Hamburg zu OK Radio. Der Sender war damals auch in Hamburg der kleinste Sender und ähnlich wie das alte W1 ein Rock-Sender mit „Schwierigkeiten“. OK Radio wurde damals zum Hitradio umformatiert und war damit in Hamburg enorm erfolgreich. So hatte er sich das wohl auch für Würzburg vorgestellt und kam in erster Linie als Programmberater zu W1.

In seiner Funktion war er damit maßgeblich für die Umgestaltung zu einem Hitradio verantwortlich. So war er auch der Produzent der neuen und später ebenso legendären „Stotter-Jingles“ von W1. Damals wurden solche Jingles übrigens noch lange nicht digital produziert, sondern vollkommen analog in mühevoller Kleinstarbeit Silbe für Silbe auf Tonband geschnitten. Eine wirkliche Fleißarbeit, bis dabei so etwas heraus kommt…

Nach W1 war Holger Richter lange Zeit Geschäftsführer und Programmdirektor für das deutschsprachige Programm von RTL Radio, welches seit 2016 nicht mehr am Standort Luxemburg sondern in Berlin produziert wird. RTL hat er offiziell zum 31.08.2014 nach 19 Jahren verlassen und hat sich im Anschluss auf Mallorca niedergelassen. Von dort betreibt er die Firma Balmedia Coaching. Auch dort widmet er sich weiterhin dem Thema Radio und betreibt die Plattform „Perfect Radio“ mit diversen Online-Radiosendern. Im dortigen Programm „Perfect Rock“ verwendet er die alten Sprachaufnahmen von John de Graaf als Stationvoice. De Graaf war damals auch die Stimme von W1. Und so klingt dieses neue Programm ein bisschen so wie Radio W1 an seinen letzten Tagen… 🙂

Als Moderator war Holger bei W1 nur in Ausnahmen zu hören. Seine Stimme ist es aber, die den Trailer für die W1-Musicbox spricht. Zu hören ist hier das Intro mit dem Musikbett, auf dem dann in der Sendung die Hörerwünsche eingespielt wurden.

Birgit widmete sich während und nach W1 ihrer Bühnen-Karriere. Mit dem Ende von W1 wechselte sie in die Semmelstraße zum Funkhaus Würzburg, wo sie bis 2017 als freie Moderatorin für Radio Gong und Charivari zu hören war. Ansonsten ist sie als Schauspielerin, Comedian und Sängerin tätig und hatte diverse Auftritte im deutschen Fernsehen im Bereich Comedy und Kabarett.

Jürgen war bei W1 als Volontär angestellt (= auszubildender zum Rundfunkredakteur). Heute arbeitet er für den Bayerischen Rundfunk im Studio Würzburg. Dort ist er als Reporter für den Landkreis Kitzingen zuständig und man kann ihn auch immer wieder im Mittagsmagazin „Mittags in Mainfranken“ sowohl als Reporter und Moderator der Sendung hören.

Jürgen wechselte nach dem Ende von W1 zu TV Touring nach Aschaffenburg. Jürgen war auch am letzten Sendetag zu hören.

Jürgen Wachter ist heute Head of Sales & Account Management bei der CMX Solutions GmbH in Berlin.

Weitere ehemalige Moderatoren:

Holger Edel, Achim Roth, York Thomsen, Bernd Scheiter, Götz Schmiedehausen

Ja, es ist verdammt lange her, dass W1 „on air“ war und mich als Hörer täglich durch den Tag gebracht hat. Und eigentlich hatte ich beim besten Willen nicht mehr damit gerechnet, dass ich tatsächlich noch Bilder von damals auftreiben würde. Wie es der Zufall aber so wollte, stolperte der ehemalige W1-Moderator Jörg Fierlings über diese Seite und schrieb mich an.

In einem Telefongespräch erzählte er mir dann später, dass er seinerzeit viele Fotos für W1 gemacht hat und vielleicht sogar noch ein paar Original-Tonbänder „irgendwo im Keller“ hat.

So trafen wir uns also einige Wochen später in Würzburg und er übergab mir zwei Packungen mit Fotos und ein großes Tonband von damals … Inwiefern ich die Audioaufnahmen hier einfließen lassen werde, weiß ich aktuell noch nicht – für die Bilder hat sich auf alle Fälle schon mal ein schönes Plätzchen gefunden! Alle hier gezeigten Bilder stammen aus der Zeit zwischen 1988 und 1990, als sich W1 noch mit seinem „gläsernen Studio“ im Wöhrl-Haus befand. Toll! Vielen Dank Jörg für die damit weiter lebendig gewordenen Erinnerungen!

W1-Events und was sonst noch so war …

Hat noch jemand Fotos oder irgendwelche „Erinnerungsstücke“ von damals? Schreibt mir einfach!

Bis 1991

So sah das W1-Programm von Montag bis Freitag aus.

05.30 – 09.00 Uhr

W1 Radiowecker

Lokalrückblick, Presseschau, Verkehrsfunk zu jeder halben Stunde, Interviews.

09.00 – 10.00 Uhr W1 Nonstop-Music

10.00 – 12.00 Uhr

W1 Shopping

Verbrauchertipps, Informationen für die Hausfrau   12.00 – 14.00 Uhr

W1 Würzburg aktuell

Ausführliche Nachrichten, Berichte aus Bonn und der Welt

14.00 – 16.00 Uhr

Wie es Euch gefällt

Wunschsendung

16.00 – 19.00 Uhr

W1 Ticker-Time

Nachrichten und Berichte aus nah und fern   19.00 – 20.00 Uhr W1 Nonstop-Music siehe oben 20.00 – 22-00 Uhr

W1 Spezial

Kulturberichte, Konzerte usw.   22.00 – 00.30 Uhr W1 Night-Train   00.30 – 05.30 Uhr W1 Nonstop-Music siehe oben

Am Wochenende gab es weitere Sendungen, deren Titel mit aber heute nicht mehr alle geläufig sind. Erinnern kann ich mich aber noch an das „W1 Weekend Radio“ am Samstag. Sonntags liefen am Vormittag „W1 Glaube aktuell“ (kirchliches Programm der Freien Evangelischen Gemeinde) und „W1 Blue Notes“ (Jazzfrühschoppen der Jazz ini Würzburg). Am Nachmittag wurden der „Sunday Express“ und „Lazy Sunday“ sowie die „W1 Powerstation“ gesendet. Am Sonntagabend die „Schmuse-Muse“ mit Musik zum Kuscheln und Träumen. Außerdem gab es noch Sendungen wie „W1-Extra“ und „Musik Spezial“.

Nicht zu vergessen ist natürlich auch die legendäre „Freak-Show“ am Sonntagabend mit Charly Heidenreich unter dem Motto „Rock zwischen Kitsch und Kunst“.

1991 – 1992

Mit der Programmreform zum Hitradio änderten sich auch die Sendungstitel, und die moderierte Sendezeit wurde zu Anfang auf 12 Stunden reduziert, später wieder auf 14 Stunden erweitert. Anstatt wie früher „Nonstop-Music“ vom Tonband wurde nun „Star*Sat Radio“ aus München per Satellit im Abend- und Nachtprogramm übernommen. Star Sat war 1988 der erste Satelliten- und Kabelsender in Deutschland und sendete fast ausschließlich Musik und sehr wenige moderierte Sendungen sowie stündliche Nachrichten.

Auch Star*Sat Radio ereilte viele Jahre später das gleiche Schicksal wie Radio W1. Das Programm wurde zum 30. September 2008 überraschend eingestellt. Inzwischen gibt es ein neues Star*Sat Radio aus Berlin. Dies hat aber mit dem eigentlichen Programm von damals nichts mehr zu tun. Die neuen Betreiber des Senders haben lediglich die Namensrechte erworben und machen heute ein Programm unter dem Motto „SUPER 80er • SUPER 90er • SUPER HITS!“ (auch sehr einfallsreich … 😉 )

Was damals auch neu war bei W1, war mit dem „W1-Rap“ – von und mit Moderatorin Diana Komianos – ein eigener „Station-Song“. Ich weiß heute nicht mehr, wer damals den Anfang gemacht hat. Ob es Radio Gong mit dem „Gong Song“ war, der auch auf Schallplatte veröffentlicht wurde, oder eben W1. Der W1-Rap war aber definitiv cooler und auch vom Text her um einiges „härter“…

In Bayern sind die Radiosender seit jeher verpflichtet, täglich ein „Impressum“ auszustrahlen. Dies war natürlich auch bei W1 damals nicht anders. Das Impressum dient – genau wie in einer Zeitung – als presserechtliche Information der Hörer über die Zusammensetzung der Programmveranstalter, Chefredaktion, Anschrift und natürlich der Telefonnummer. Die folgenden beiden Aufnahmen machen also unter anderem die veränderte Zusammenstellung der Chefredaktion und Programmveranstalter nach dem Konkurs der W1 GmbH sowie den Standortwechsel deutlich.

Das erste Impressum wurde gesprochen von Wolfgang Heuer, das zweite von Sam Raabe.

Bei W1 gab es die Weltnachrichten – im Gegensatz zu allen anderen Sendern damals – nicht zur „vollen Stunde“, sondern zur „halben Stunde“. In der Morgensendung „W1 Radiowecker“ gab es zusätzlich Schlagzeilen zur vollen Stunde. Bei beiden Nachrichtensendungen wurde jeweils ein Musikbett als Unterlage für den Sprecher verwendet – dies blieb auch nach der Programmreform so.

Hier ist das Musikbett der W1-Nachrichten in gekürzter Version. Vielen Dank an einen weiteren echten Fan, der mir das Audiofile zur Verfügung gestellt hat! 🙂

Und so klangen die Nachrichten und das Wetter am 24.05.1989 mit Sprecherin Uschi Lamertz. Die Meldungen kamen damals übrigens noch aus einem richtigen Fernschreiber der „Deutschen Presseagentur“ (DPA), welcher in der Redaktion stand. Vorstellen kann man sich die Maschine wie eine über das Telefonnetz ferngesteuerte Schreibmaschine. In dem Gerät war eine Endlospapierrolle eingespannt und die Meldungen „tickerten“ Stück für Stück herein. Kam eine besonders „wichtige“ Meldung, gab der Fernschreiber über die eingebaute Klingel ein kurzes aber deutliches „Binnnnnggg“ von sich.

Hier noch ein Beispiel für die Schlagzeilen vom 17. Juli 1989 um 6 Uhr. Moderator ist Wolfgang Heuer, die Schlagzeilen wurden von Petra Sich gelesen.

Nach der Programmreform wurde – wie schon oben beschrieben – ebenfalls ein Musikbett verwendet. Der kurze Ausschnitt ist vom letzten Sendetag. Zu hören ist Jürgen Wachter mit der Meldung, dass W1 an diesem Tag seinen Sendebetrieb einstellen wird.

Bei W1 liefen – wie in jedem Radiosender – diverse Promos & Trailer (= Eigenwerbung) für Sendungen, Veranstaltungen und das eigene Programm. Hier ein paar Beispiele:

Das alles ist Radio W1 (Eigenwerbung für das Programm)

Die W1-Kabelfrequenzen

Das W1-Beatrevival 1990

W1-Downtown (Promo für die Sendung)

W1-Motorshow

Labyrinth mit DJ Sam Raabe

Weltrekord und Geburtstagsfete

1. Ski-Sonderzug

Promo für den Varta-Musikpreis 1989

Promo für die von W1 mitinitiierte Musikzeitschrift „Music-Szene“

Promo für die „Top 2000-Y“ – die längste Hitparade der Welt mit Marcus Schiller und Kaya Gök. Der Spot lief damals einige Wochen vor Beginn der Hitparade immer wieder unkommentiert im Programm, um so für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Selbstverständlich gab es damals auch bei W1 verschiedene Musikbetten, die als Musikunterlage für Moderationen genutzt wurden. Man muss allerdings sagen, dass es damals noch nicht so „normal“ war, wirklich jede Radiomoderation mit einer Musikunterlage zu versehen. Heute ist das anders – die wenigsten Moderatoren sprechen trocken, also ohne Musikbett. Geschuldet ist dies unter anderem den Eigenschaften des Format-Radios. Mit einem solchen Musikbett möchten die Format-Radiomacher erreichen, dass für den Hörer der Musikfluss im laufenden Programm nicht abbricht, da man davon ausgeht, dass dies den Hörer stören könnte.

Nachdem W1 eben auch nie so wirklich durch formatiert war (bis zur Programmreform), spielten diese Unterlagen auch nicht wirklich eine Rolle. Folgende Musikbetten sind in meinem Archiv noch enthalten:

„Neutrales“ Musikbett

Musikbett während der Top2000 Hitparade

Musikbett für die Veranstaltungshinweise

Nach der Programmreform gab es mehrere dieser Betten. Zum Einsatz kam unter anderem der Titel „City Lights“ von „William Pitt“ aus dem Jahr 1986. Eine Instrumentalversion des Songs war auf der B-Seite der Single veröffentlicht. Ende der 1980er Jahre wurde von vielen Radiosendern auch gerne die Musik der isländischen Funk-Fusion-Gruppe „Mezzoforte“ eingesetzt. Einer der bekanntesten Titel aus dem Radio ist aus dieser Zeit „Garden Party“. Kürzlich habe ich diesen Titel übrigens nach vielen Jahren wieder als Musikbett bei Bayern 1 gehört.

Wenn heute auf Radio Gong in Würzburg am Freitagabend die Sendung „In The Mix“ mit DJs (aus dem Airport) zu hören ist, dann ist dies genau genommen ein ziemlich alter Hut! Denn in Würzburg gab es dies damals schon bei W1! Die „Airport-Mastermixes“ liefen jeweils an einem Samstagabend ungefähr zwischen 1989 und 1990. Für diese Sendung kamen die DJs „Dago Jansen“ und „Mirco Betz“ aus dem Airport mit ihren Platten und zwei Technics 1210er Plattenspielern ins Studio und mixten die Musik entsprechend live zusammen.

Für diese Sendung gab es natürlich auch „Trailer“ im Programm, die wie folgt klangen:

Trailer 1

Trailer 2

Wie es der Zufall will, habe ich damals – obwohl ich kein Fan der Musikrichtung war – eine dieser Sendungen mitgeschnitten. Wenn ich heute diesen Mitschnitt höre, ist es natürlich schon wieder in gewisser Weise lustig. Damals war ich vielleicht gerade 15 Jahre alt und all die Tracks, die damals brandneu waren, sind heute „Klassiker“ des HipHop und Rap bzw. der Popmusik im Allgemeinen. Da merkt man ganz schnell, wie alt man doch geworden ist… 😉

Wer mehr aus dieser Zeit (Mitte der 1980er Jahre) aus dem Airport hören möchte, der sollte sich dieses Video anschauen.

W1 – Nonstop Music war die sicherlich am häufigsten ausgestrahlte Sendung bei W1. Denn Nonstop-Music war unter anderem das tägliche Nachtprogramm zwischen 0 Uhr und 5.30 Uhr. Auch im Tagesprogramm gab es am Wochenende z.B. Strecken mit Nonstop-Music. Und je näher das Ende des Senders im Wöhrl-Haus kam, umso häufiger wurden moderierte Sendungen so ersetzt. Schon damals war die Sendung mehr oder weniger kultig. „NSM“ – wie es in der Abkürzung bei W1 hieß, waren vorproduzierte Tonbänder mit Musik. Und da es nur eine begrenzte Anzahl dieser Bänder gab, wiederholten sie sich natürlich regelmäßig im Programm. Irgendwann war man als Hörer einfach so weit, dass man wusste, welcher Titel als nächstes folgte.

Insgesamt gab es nur rund 20 dieser jeweils maximal dreistündigen Tonbänder. Im W1 Studio befanden sich damals zwei Tonbandmaschinen mit einer Abspielautomatik. Wenn das eine Band zu Ende war und die Maschine stoppte, startete automatisch die nächste Maschine. Der letzte Moderator am Abend startete also die erste Maschine und ging danach nach Hause, denn die nächsten sechs Stunden kam die Musik vom Band.

Das alles lief soweit meistens auch problemlos – eine besonders technische Panne (es gab sicherlich mehrere) ist hingegen überliefert! Was war passiert? Diese Tonbänder liefen mit einer sehr langsamen Bandgeschwindigkeit von 9,5cm/s. Es lagen auch beide Bänder auf den Maschinen. Das Problem war nur, dass die zweite Maschine auf doppelter Geschwindigkeit eingestellt war. Und so lief nach den ersten drei Stunden plötzlich W1 auf „Highspeed“. Dies fanden wohl auch die Kollegen von Radio Gong ganz lustig und informierten die Hörer von Radio Gong über den kleinen Fehler nach dem Motto: „Wenn Ihr flotte Musik hören wollt, dann schaltet mal zu W1 auf die 95,8“.

In meiner privaten Sammlung befinden sich einige Kassetten von Mitschnitten dieser Sendung. Hier gibt es exemplarisch eine Aufnahme von 45 Minuten Dauer.

Frage: Wer hat noch Kassetten oder Tonbänder mit Nonstop-Music von Radio W1 zu Hause liegen und kann mir diese zur Überspielung und Digitalisierung zur Verfügung stellen? Egal was und in welcher Qualität: Ich würde mich wirklich wahnsinnig freuen, wenn sich jemand meldet! Schreibt mir einfach!

Beispiele für Werbespots, die bei W1 liefen, gäbe es natürlich viele. Deswegen gibt es hier nur eine „Hand voll“. Werbespots habe ich in dem Sinne auch nie „gesammelt“ oder bewusst mitgeschnitten. Ich möchte Sie hier aber trotzdem vorführen, um zu zeigen, wie Radiowerbung in Würzburg damals (ca. 1989 – 1990) klang.

Vor der Werbung war immer der sogenannte „Werbesounder“ zu hören. Auch das ist eine Pflicht für die Radio- und Fernsehsender in Deutschland. Denn Werbung muss sich – im Radio und TV – deutlich vom restlichen Programm absetzen. Daher verwendet man ein akustisches Element, um dem Hörer klar zu machen, „was jetzt kommt, ist Werbung“.

Damals gab es – nicht nur bei W1 – sogenannte „Live-Reader“. Dabei handelt es sich nicht um einen vorproduzierten Werbespot, sondern um einen vom Moderator vorgetragenen Werbetext für den entsprechenden Kunden. Heute ist man davon abgekommen und diese Werbeform ist im Radio eigentlich ausgestorben. Damals wurde diese Art der Hörfunkwerbung aber gerne von den Privatsendern angeboten und von den Kunden gekauft. Grund: diese „Werbespots“ waren in vielerlei Hinsicht für den Kunden günstiger. Zusätzlich war ein Verkaufsargument für die Live-Reader, dass der Text ja von einer bekannten und sympathischen Stimme des Senders vorgetragen wird. Somit sollte sich also die Sympathie des Hörers für den Moderator auf das Produkt übertragen.

Bis zur Programmreform zum Hitradio war Bodo Henkel die sogenannte „Stationvoice“ von Radio W1 – also die Stimme, die in den immer wiederkehrenden „Jingles“ (= Erkennungsmusik / Stationskennung) eines Senders vorkommt. Radio W1 hatte damals – im Vergleich zu den anderen Sendern – mit Bodo Henkel definitiv die beste Stationvoice der Stadt. Der große Unterschied zu den anderen Stationen war auch die Tatsache, dass die Slogans des Senders zu großen Teilen in Englisch von Bodo Henkel eingesprochen wurden.

Warum dies passierte, weiß ich bis heute nicht. Ich vermute aber, dass man sich einfach von den anderen Sendern deutlich unterscheiden wollte. Möglicherweise wollte man als Sender aber auch für die damals in Würzburg stationierten Amerikaner attraktiv wirken und ein Gegenstück zum AFN (American Forces Network = der Radiosender der Amerikaner, der auf UKW 104,9 in Würzburg sendete) bieten. Vielleicht ist die Erklärung aber noch viel einfacher: Ein Slogan in Englisch klingt einfach „cooler“, wie man in dieser kleinen Collage hören kann.

Für den Weltrekordversuch „Top-2000-Y“ wurden letztmals extra neue Jingles von Bodo eingesprochen und einige wenige neue Musikunterlagen (sog. Musikbetten) produziert. Nachdem die Hitparade aber aus rechtlichen Gründen kurzfristig von „Top 2000-Y“ in „Top 2000“ (also ohne „Y“) umbenannt werden musste, war es auch nötig, die Jingles umzuschneiden. Wenn man also den folgenden Jingle genau anhört, bemerkt man den Schnitt nach dem Wort „Top 2000“ – das „Y“ wurde entfernt.

Radio W1 gibt es bekanntlich seit dem Jahr 1992 nicht mehr im Radio. Allerdings hat der ehemalige Chefredakteur Kai Fraass W1 im Internet wieder aufleben lassen. Nach wie vor ziemlich erfolgreich – wie er mir sagte – läuft das Programm bei „laut.fm“ und kann dort 24-Stunden täglich gehört werden. Natürlich ist es nicht wirklich zu vergleichen mit damals, zumal es auch keine Moderation gibt. Aber es ist immerhin etwas!

Für alle, die diesen Artikel lesen, stellen sich sicherlich die ein oder anderen Fragen, die ich hier gerne beantworten möchte:

Die Audiofiles auf dieser Seite sind – sofern es sich um Beispiele aus der Zeit vor der Programmreform handelt – allesamt Mitschnitte, die ich damals selber auf Kassette oder Tonband gemacht hatte. Die Kassetten lagen viele Jahre in einer Kiste auf einem nicht isolierten Dachboden und waren Hitze im Sommer und Kälte im Winter gnadenlos ausgesetzt.

Die Jingles und Programmelemente aus dem letzten Jahr von Radio W1 – also nach der Programmreform zum Hitradio – entstammen teilweise auch Mitschnitten des Programms. Ich habe aber damals auch das Glück gehabt, an einige der originalen Sende-Carts (Endloskassetten, die im Sendebetrieb damals verwendet wurden) zu kommen. Diese wurden mir zur Digitalisierung zur Verfügung gestellt und gingen dann an den Besitzer zurück.

Zu meinem großen Erstaunen klangen die Aufnahmen trotz der besagten Lagerung auf dem Dachboden immer noch relativ frisch und gut. Trotzdem war es nötig, die Audiofiles entsprechend für diese Webseite zu bearbeiten und grundsätzlich zu „restaurieren“. Einerseits habe ich die Lautstärke angepasst und auf ein Level gebracht. Etwas „spezieller“ wurde es tontechnisch gesehen, als es darum ging, aus den Mitschnitten die Jingles zu extrahieren. Denn selbstverständlich wurden alle Sendeelemente immer im Zusammenhang mit Musik gesendet und nicht so, dass man sie hätte problemlos mitschneiden können. So soll es ja auch im eigentlichen Sinne sein.

Was ich also gemacht habe, ist, dass ich aus unterschiedlichen Jingles Anfänge und Enden zusammengeschnitten habe. Leider war dies aber alles andere als unproblematisch. Denn unterschiedliche Kassetten haben unterschiedliche Audioeigenschaften, rauschen verschieden und die Bandgeschwindigkeiten haben sich – wenn auch nur minimal, aber dennoch hörbar – unterschieden. So blieb mir also nichts anderes übrig, als die Tonhöhe (wegen der unterschiedlichen Bandgeschwindigkeiten) anzupassen. Zusätzlich war es erforderlich, eine Phasenkorrektur vorzunehmen, um die Audios wieder halbwegs Stereo klingen zu lassen.

Bei Jingles, die „abgeschnitten“ waren und denen das Ende sozusagen fehlte, habe ich die sogenannten „Hallfahnen“ (also den Nachhall) simuliert und so wieder hergestellt. in den meisten Fällen haben die Maßnahmen ganz gut funktioniert. Hier mal ein Vorher-Nachher-Vergleich.

Mitschnitt aus der Sendung
Ergebnis aus drei verschiedenen Audios.

Natürlich ist die Qualität der bearbeiteten Jingles nicht das, was man im Radiodeutsch als „sendefähig“ bezeichnen würde. Mir ging es hier aber primär ja auch darum, die Audios so aufzubereiten, dass sie für die Webseite ein ausreichendes Ergebnis bieten, um demonstrieren zu können, wie Radio W1 damals klang.

Ok: das was hier nun folgt, ist in der Tat vielleicht eher etwas für „Technik-Freaks“. Der Vollständigkeit halber möchte ich aber auch gerne etwas über die Sendetechnik schreiben, die mich damals schon immer sehr interessiert hat. Die Sendetechnik setzte sich wie folgt zusammen:

Sendestudio

Mischpult1 x STUDER 961
Mikrofone3 x AKG D330
CD-Player1 x STUDER A727 bzw. 2 x EMT 981 im Studio in der Ludwigstraße
Plattenspieler2 x EMT 948
Tonbandmaschinen2 x STUDER A810
Cart-Maschinen3 x Sonifex micro HS
Leistungsverstärker1 x STUDER A68
Telefonhybrid1 x STUDER Telefonhybrid
Kassette (Air-Check-Recorder)1 x STUDER A710
SoundprocessingCRL Systems

Die beiden W1-Studios waren nicht klimatisiert! Links vom Moderator befand sich im Sendestudio zudem ein großes Fenster, welches sich vom Boden bis zur Decke über die komplette Raumlänge zog. So hatten die Moderatoren zwar einen schönen freien Blick auf die Wöhrl-Terrasse und die Festung Marienberg, andererseits knallte die Sonne vor allem im Sommer immer direkt ins Studio und heizte es damit enorm auf. Die immerzu laufende Sendetechnik war eine weitere Wärmequelle. Im Studio befand sich zudem ein Rack mit dem „Master-Control“ – also der technischen Ausrüstung für die Bearbeitung des Sendesounds. Als Sendekompressor kam damals ein Gerät der amerikanischen Firma „CLS Systems“ zum Einsatz (die Firma existiert heute nicht mehr). Die einzige Abhilfe, die es damals gab, war ein großer Standventilator, der auch immer in Betrieb war. Kurze Hosen und T-Shirts waren daher bei allen Moderatoren im Sommer sozusagen „unfreiwillige Pflicht“. 😉

Produktionsstudio

Das Produktionsstudio befand sich gleich im Raum nebenan und hatte nur eine große Scheibe mit Blick in die Redaktion, nicht aber zum Sendestudio. Die Ausstattung war etwas anders im Vergleich zum Sendestudio. Im Gegensatz zu den anderen Lokalsendern hatte W1 – zumindest im Wöhrl-Haus – keine Schnittplätze in der Redaktion! Das kleine Studio wurde also sowohl für redaktionelle Aufgaben genutzt (Beiträge schneiden etc.), als auch für die Produktion von einfachen Werbespots und Programmelementen (Promos, Trailer etc.).

Mischpult1 x STUDER 169
Mikrofone2 x Sennheiser MD421
CD-Playerdamals nicht vorhanden
Plattenspieler2 x EMT 948
Tonbandmaschinen2 x STUDER A810
Cart-Maschinen3 x Sonifex micro HS + 1 x Recorder
Leistungsverstärker1 x unbekannt
Telefonhybrid1 x STUDER Telefonhybrid
Kassette (Air-Check-Recorder)1 x unbekannt

Quellenangaben[+]

10 Kommentare

  1. Marc+Schmidt

    Ich weiß noch, als ganz zum Schluss „the end“ von den Doors in Dauerrotation lief und ich eine ganze Cassette damit aufnahm. Die Cassette habe ich heute noch. W 1 (oder zu Anfang auch Würzburg 1) war genau wie die Rocklok auf Bayern 2 oder Radio DT 64 einer der alternativen und Indepenent-Sendern, die auch für Heavy Metal Fans (bin ich seit 40 Jahren) interessant waren. Leider sind diese Sender alle verstummt, Musikkultur scheint heute nur noch aus dem gängigen Einheitsbrei des Mainstream zu bestehen. Aber dafür gibts heute ja gottseipunk YouTube und auch einige Internet-Radiosender wie z.B. Radio Gehacktes aus Norddeutschland oder die Rock-Antenne aus München.

  2. Sabine Müller

    Danke für den tollen Artikel zu Radio W1.
    Zwei Ergänzungen zur technischen Ausrüstung: Das Soundprocessing von W1 lief über Geräte von CRL Systems. Zum Abhören des Programm im Sendestudio setzte der Sender eine Studer Endstufe (A68) ein. Holger Richter drehte sie einmal so laut, dass sie aufgrund der fehlenden Klimaanlage überhitzte und abschaltete.

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