Marienkapelle

Die Marienkapelle auf der Nordseite des Würzburger Marktplatzes ist heute eine Nebenkirche der Pfarreien Dom und Neumünster im Besitz der Marienkapellenstiftung.

Die Marienkapelle auf der Nordseite des Würzburger Marktplatzes - aufgenommen im Dezember 2011.
Die Marienkapelle auf der Nordseite des Würzburger Marktplatzes – aufgenommen im Dezember 2011.

In früheren Zeiten jedoch war sie der Kristallisationspunkt städtischen Engagements gegen die Dominanz von Bischof, Stiften und Klöstern. Sie gilt als Höhepunkt spätgotischer Baukunst in Unterfranken.

Die Kapelle steht in direktem Zusammenhang mit der Vernichtung der jüdischen Gemeinde Würzburgs. Das Gerücht, Brunnenvergiftungen durch die Juden seien schuld an der Pest, führte am 21. April 1349 zu einem Pogrom, bei dem die Juden Würzburgs grausam ermordet wurden. Unterhalb der Sakristei hat sich mit dem jüdischen Ritualbad (Mikwe) ein Teil der mittelalterlichen Synagoge erhalten.

Durch die Schleifung der Reste des Judenviertels entstand im 15. Jahrhundert der jetzige Marktplatz in Würzburg. Erst in jüngster Zeit ließ sich die Bedeutung dieser jüdischen Gemeinde anhand der im Jahr 1987 wiedergefundenen Grabsteine des mittelalterlichen Judenfriedhofs als eines der geistigen Zentren der europäischen Judenheit rekonstruieren.

Weitere ausführliche Informationen und Bildmaterial zu den Grabsteinen gibt es auf der Homepage des Museums der jüdischen Gemeinde Würzburg.

Entstehung der Marienkapelle in Würzburg

An der Stelle der niedergebrannten Synagoge entstand wohl bald nach dem Pogrom eine hölzerne Marienkapelle, die den Sieg der Kirche, deren Sinnbild Maria ist, über die Synagoge vor Augen führen sollte. Auch das Motiv der „Entsühnung“ des Platzes durch den Kirchenbau spielte in der Vorstellung der Zeit eine Rolle. Wunderzeichen führten zeitweise zu „groß gelaufe und walfahrt“.

Mit den Geld- und Sachopfern dieses frommen Zulaufs konnte der Bau der heutigen Kapelle begonnen werden. Bischof Gerhard von Schwarzburg (Würzburger Bischof von 1372 bis 1400) legte am 16. Mai 1377 den Grundstein. Der Chor, der bereits einige Jahre vor 1377 begonnen worden sein könnte, wurde wahrscheinlich am 25. August 1392 geweiht.

Lag die Initiative zum Chorbau noch beim Bischof, so ging der Impuls, den Kirchenbau mit Langhaus und Turm fortzuführen, von der Stadt aus. Die Fertigstellung des Langhauses zog sich längere Zeit hin, obwohl mehrere Ablässe den zügigen Bau förderten. 1411 konnten dann die ersten Toten im Kirchenschiff bestattet werden. Um das Jahr 1440 muss das Landhaus dann vollendet und eingewölbt gewesen sein, die Fertigstellung des Turms erfolgte dann 1479.

Die Baumeister

Adam und Eva von Tilman Riemenschneider. Hierbei handelt es sich um Kopien. Die Originale befinden sich im Mainfränkischen Museum auf der Festung Marienberg.
Adam und Eva von Tilman Riemenschneider.

Als Baumeister der Kapelle sind ein „Meister Weltz“ sowie Eberhard Friedenberger von Frankfurt und Linhard Strohmeier überliefert. Ab dem Jahr 1470 lag die Bauleitung dann in Händen des Hans von Königshofen, der seit dem Jahr 1473 auch den Bau der Alten Mainbrücke leitete. Nachdem der Skulpturenschmuck am Außenbau Ende des 15. Jahrhundert, mit einer Ausnahme, größtenteils noch nicht ausgeführt war, erhielt der Würzburger Bildhauer Tilman Riemenschneider deshalb im Jahre 1490 vom Stadtrat den Auftrag dazu.

Das auf den Schauseiten der Kapelle konzentrierte Programm setzt den mit Adam und Eva dargestellten Sündenfall zu den Ereignissen der Menschwerdung (Verkündigung) und Auferstehung in Verbindung. Darüber reiht sich die Schar der Apostel mit dem Erlöser Christus.

Brand im Jahr 1711

Nach dem Brand des Turmhelms im Jahr 1711 errichtete der Stadtzimmermann Joseph Greising bis 1713 eine neue hölzerne, kupfergedeckte Turmhaube im Stil der Zeit. Bischof Johann Philip von Greiffenclau ließ auf dem Turm eine Figur der Maria Immaculata aus vergoldetem Kupfer mit doppelter Schauseite anbringen (Höhe: 5,38 m; Entwurf: Jakob van der Auwera; Ausführung: Martin Nötzel).

In den Jahren 1843 bis 1853 erfolgte eine Außenrenovierung der Kapelle. Wegen des rigorosen Umgangs mit der Originalsubstanz wurde diese damals scharf kritisiert. Erst in den Jahren 1856 und 57 entstand die heutige Turmspitze in gotischen Formen nach dem Vorbild des Turmes der Liebfrauenkirche in Esslingen, die nach wie vor das barocke Marienbild trägt. Auch im Innenraum ersetzte man seit 1864 alle nicht zum gotischen Stil passenden Ausstattungsstücke, so auch den 1669-70 geschaffenen Hochaltar durch neugotische Werke. Am 17. Mai 1865 wurde die Kapelle durch Bischof Georg Anton von Stahl wieder geweiht. 1)Schnell Kunstführer Nr. 345 (Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg)

Bilder der Marienkapelle in Würzburg

Die Marienkapelle ist täglich geöffnet und kann besichtigt werden.

Mundart vs. hochdeutsch
„Die Todtenmesse in der Marienkapelle zu Würzburg“

Es is a mol in der Kapelle auf’n Mark dort a alter Mann gekniet, und der is vor lauter Midikeit eing’schlafa. Auf e mol wie er wieder aus der Kerch raus geha will, is die Thier scho zug’schlossa. Er schreit und klopft an die Thier, aber ke Mensch hat en rufa g’hert, weil die Kerchathier gar ze dick is.

So is es denn Nacht worn und der Mann hat si in en Stul nei g’setzt und hat g’schlafa. Nachts um a Zwelfa is er auf emol aufgewacht, und doa hat’s rausg’schellt. Doa is a geistlier Herr rauskumma und is zu’n hohe Altar mit seine Ministrante higanga, und hat a Amt g’halta.

Und die ganza Kerch war ganz hell, und alle Stiel sen voller Leit gekniet, und auf der Orgel hat’s so toll gelaut, wie’s der Mann sei Letti (sein Lebtag) no nit g’hert hat, und ke enzig’s G’sicht hat er gekennt.

Alle ham sie aber ausg’seha, als wenn se in Grab gelega wern. Doa schlegt’s Ens (Eins), und auf emol war Alles mit enanner verschwunda und in der Kerch war’s wieder stockfinster.

Doa hat si der Mann so arg g’fercht, daß er an alle Glieder gezittert hat. Frua is er bei’n Ave Maria Leita endli rausgelassa worn, is hem ganga, hat si gelegt, hat gebeicht und nach acht Tag is er g’storba.

Des warn lauter Geister, die in der Kapelle umgeha.2)Originaltext entnommen aus: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 223-224.

In der Kapelle auf dem Markt ist mal ein alter Mann gekniet und vor lauter Müdigkeit eingeschlafen. Als er aus der Kirche rausgehen wollte, war die Türe schon zugeschlossen. Er schrie und klopfte an die Tür, aber kein Mensch hat ihn rufen gehört, weil die Kirchentür zu dick war.

So wurde es Nacht und der Mann hat sich in einen Stuhl reingesetzt und hat geschlafen. Nachts um Zwölf ist er auf einmal aufgewacht, und da hat es geklingelt. Da ist ein geistlicher Herr herausgekommen und ist zum hohen Altar mit seinen Ministranten gegangen und hat ein Amt gehalten.

Und die ganze Kirche war ganz hell, und alle Stühle waren voller Leute die Knieten, und auf der Orgel wurde so laut gespielt, wie es der Mann seinen Lebtag noch nicht gehört hatte und er kannte kein einziges der Gesichter.

Alle sahen aus, als wenn sie im Grab gelegen hätten. Als es ein Uhr schlug, waren auf einmal alle miteinander verschwunden und in der Kirche war es wieder stockfinster.

Da hat sich der Mann so sehr gefürchtet, dass er an allen Körperteilen zitterte. Morgens beim Ava Maria ist er endlich rausgelassen worden. Er ist nach Hause gegangen, hat sich hingelegt, hat gebeichtet und nach acht Tagen ist er gestorben.

Das waren lauter Geister, die in der Kapelle umhergehen. 3)Eigene Übersetztung ins Hochdeutsche.

Nach 68 Jahren wieder Glocken für die Marienkapelle

Die Marienkapelle im Herzen der Stadt Würzburg erhält ein neues Geläut. Über 68 Jahre nach der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg werden am Mariä Himmelfahrtstag, 15. August 2013, erstmals wieder Glocken vom 70 Meter hohen Turm der Bürgerkirche erklingen. Das Besondere daran: Täglich um zwölf Uhr mittags wird das fränkische Marienlied „O himmlische Frau Königin“ als Glockenspiel zu hören sein.

Der Anstich ist erfolgt, der Glockenguss beginnt: Glockengießermeister Rudolf Perner und seine Meister und Gesellen gießen die Glocken für die Würzburger Marienkapelle.(Foto: Bernhard Schweßinger / POW)
Der Anstich ist erfolgt, der Glockenguss beginnt.

Die feierliche Weihe der sechs neuen Glocken findet am 1. Mai, dem Fest der Gottesmutter Maria, der Schutzfrau Bayerns, in der Marienkapelle statt. Bei einem Festgottesdienst um 10 Uhr, den das Bayerische Fernsehen live überträgt, spricht Generalvikar Karl Hillenbrand, Rektor der Marienkapelle, die Segensworte über die neuen Glocken. Bereits ab 29. April sind die Glocken im Chor der Marienkapelle aufgestellt.

Die Geburtsstunde der neuen Glocken reicht nur wenige Tage zurück. Freitagmittag, 12. April, in der Glockengießerei Perner in Passau: Einen kurzen Moment kehrt absolute Stille ein. Im Hochofen hat die geschmolzene Bronze – eine Legierung aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn – die notwendige Temperatur von über 1100 Grad erreicht. Die Maschinengeräusche verstummen. „Sobald die Temperatur erreicht ist, müssen wir gießen. Es ist nicht möglich, das Metall warten zu lassen“, sagt Firmenchef Glockengießermeister Rudolf Perner.

Ökumenisch und international

„Fertig“, ruft er in die von Metalldunst und Hitze gesättigte Werkhalle. Dann nimmt er den Helm ab und lädt zum Gebet ein: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Der mit einer Gruppe ehrenamtlicher Helfer der Würzburger Marienkapelle angereiste Generalvikar Hillenbrand spricht das Segensgebet über das flüssige Metall: „Leite seine feurigen Ströme. – Segne auch die Menschen, die an diesem Guss beteiligt sind.“

Weitere Gebete sprechen eine Ordensschwester und ein rumänisch-orthodoxer Priester. Der Glockenguss an diesem Tag ist ökumenisch und international: sechs Glocken für die Marienkapelle in Würzburg, drei Glocken für ein neues Gotteshaus im afrikanischen Ruanda, drei Glocken für eine rumänisch-orthodoxe Kirche bei Bukarest und eine Glocke für die Pfarrei Weibersbrunn im Spessart.

Das abschließende „Vater unser“ mit „Gegrüßet seist Du, Maria“ ist kaum verklungen, und schon stechen Meister und Gesellen in silbern schimmernden Schutzanzügen den mächtigen Hochofen an. Rund zehn Tonnen Bronze fließen über ein ausgetüfteltes Kanalsystem in die im Boden vergrabenen Formen. Die neuen Glocken entstehen. „Der Glockengusstag ist für den ganzen Betrieb und für mich selbst ein besonderer Tag. In diesen Minuten entscheidet sich, ob die Glocken gut werden“, sagt Gießermeister Perner.

Die Arbeit der vorausgehenden Wochen und Monate steht in diesem Moment auf dem Spiel: die Berechnung des Klangs der Glocken nach dem „Gießergeheimnis“, das Mauern des Kerns, die Umhüllung mit Lehm, letztlich die Schaffung der Formen der neuen Glocken. Das „Verfahren der verlorenen Form“ nennt sich dieses Vorgehen, das in der Passauer Glockengießerei seit Jahrhunderten gepflegt wird. 4)Pressemeldung / Bistum Würzburg vom 18.04.2013

Weiterführende Links

Quellenangaben[+]

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